Unter wechselnden Themen stellt die jährliche Tagung die grundlegende Frage nach der Identität der Architektur – eine Frage, die das Selbstverständnis der Disziplin angeht und sich zuerst an ihre maßgeblichen Vertreter richtet, an die Architekten.
Dass sich die Architektur in Deutschland nicht mehr Schulen zuordnen lässt, zeichnete sich bereits im ausgehenden letzten Jahrhundert ab. Vor dem Hintergrund verblassender Traditionslinien hat die disziplinäre Orientierung eine Spiegelung erfahren. An die Stelle gemeinsamer und gemeinschaftlicher Vorstellungen von Architektur und Stadt, von der Disziplin, sind vermehrt vereinzelte und scheinbar rückhaltlose Absichten getreten. Die einhergehende erhöhte Aufmerksamkeit für das „Neue“ stellt sich in einer globalisierten medialen Präsenz der Bilder dar. Inwiefern sich in dieser Entwicklung eine „spezifisch erhöhte kulturelle Sensibilität“ (U. Schwarz) ausdrückt, die auf gesellschaftliche Kontexte verweist, wirft die Frage nach der Identität der Architektur auf, die sich infolge auch an die Lehre der Disziplin richtet – an die Ausbildung von Architekten.
Der Wandel äußerer Interessen und die Anforderungen, die an die Architektur aus Politik, Gesellschaft, Industrie und Medien herangetragen werden, gewinnen zunehmend an Einfluss: Klimawandel, Migration, veränderte Arbeitswelten und erneuerte Lebensentwürfe geben Anlass zu kurzfristigen, praktikablen und anpassungsfähigen Lösungen und lassen dagegen zugleich andere baukulturelle Anforderungen – beispielshalber nach dem Ortsbezug der Architektur – in den Hintergrund treten. Entgegen anderer Behauptungen führen diese Entwicklungen jedoch nicht zu erweiterten Handlungsfeldern innerhalb der Disziplin, vielmehr leisten die immer komplizierteren und oft widersprüchlichen Rahmenbedingungen einer Spezialisierung Vorschub, die dem überkommenen generalistischen Anspruch der Architektur entgegensteht. Die Tendenz das Bauen als Addition spezialisierter Kompetenzen und nicht mehr als ein Ganzes zu sehen, birgt die Gefahr, dass Architekten zunehmend aus dem konkreten Planungs- und Bauprozess verdrängt und auf die Rolle des Gestalters von Bildern und Oberflächen beschränkt werden.
Der Zerfall der Disziplin zeigt sich in einer transdisziplinären Offenheit, in der die Architektur wechselweise als Gegenstand der Kunst, des Designs, der Technologie, der Forschung, der Wertschöpfung oder des medialen Ereignisses erscheint und verhandelt wird. Das Selbstverständnis der Disziplin, sowie die Rolle des Architekten selbst sind zunehmend uneindeutig geworden und ziehen einerseits das Berufsverständnis und andererseits die Architekturlehre und -ausbildung ins Fragwürdige.
In Anbetracht dieser wachsenden Unübersichtlichkeit und inkonstanten Orientierung geht die Tagung unter dem Begriff der „Identität“ den Fragen nach dem Kern der Disziplin und ihren fundamentalen Dimensionen nach: Wie steht es um die elementaren Aspekte und die allgemeinen universellen Themen der Architektur? Haben die überlieferten vitruvianischen Kriterien – utilitas, firmitas, venustas – denen die Architektur zu genügen hatte, auch heute noch Bestand? Gelten überhaupt noch zeitlose, verbindliche, „innere“ Bestimmungen der Disziplin in Hinsicht einer gelingenden Architektur? Welchen Stellenwert zwischen Theorie und Praxis beanspruchen die darauf rekurrierenden Begriffe: Ort, Material, Gebrauch, Räumlichkeit, Konstruktion, Anmutung usw.
Gleich einer Inventur hinterfragt und erforscht die Tagung zur „Identität der Architektur“ den gegenwärtigen Bestand der Disziplin, gemeint ist der Bestand an verbindlichen Grundlagen, Techniken, Prinzipien, Methoden, Begriffen, Referenzen und Vorstellungen, die Entwurf und Bau von Architektur und Stadt betreffen. Mit der Feststellung des Inventars verfolgt die Tagung das Ziel, die Beiträge zur „inneren“ Bestimmung der Disziplin für den Diskurs über Architektur und als Publikationsvorhaben für Praxis, Lehre und Forschung bereitzustellen und so eine anschauliche Annährung an die Komplexität der Profession zu leisten.
Die Aufnahme erfolgt in jährlichen Tagungen unter den jeweils vorgegebenen und zu verhandelnden Themen. Teilnehmer der Tagung sind in erster Linie Architekten, die einen relevanten, entwurflich/baulichen Beitrag unter dem jeweiligen Thema der Tagung vorgelegt haben. Mit der Diskussion am konkreten gebauten Beispiel ergibt sich so erst die Möglichkeit, insbesondere auch den Fragen zu Methoden, Werkzeugen und Prozessen nachzugehen, die Entwurf und Bau des jeweiligen Beispiels bestimmt haben.
Die Tagung „Identität der Architektur“ wird von einem wissenschaftlichen Komitee begleitet.
Die Veranstaltung wird als Fortbildung mit einem Umfang von 8 Stunden für die Mitglieder der Architektenkammern Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Hessen anerkannt.